Ein Ausflug zum Goethestein lohnt sich auch in der kalten Jahreszeit

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Der Fall des großen Dichters

Der Goethestein thront in den Weinbergen über Frauenstein. Foto: Eva Wodarz-Eichner

Hoch über den Weinbergen von Frauenstein thront eine schlanke Pyramide aus grauen, roh behauenen Steinblöcken. Schon von Weitem ist das markante Denkmal zu sehen, das weder an die alten Ägypter erinnert noch an die Römer, die einst den Wein nach Germanien brachten und in Wiesbadens heißen Quellen badeten. Nein, der mehrere Meter hohe „Goethestein“ erinnert an Johann Wolfgang von Goethe und seinen Besuch in Wiesbaden im Sommer 1815. Der Dichter aus Weimar, der bereits im Jahr zuvor zu einem längeren Bade-Aufenthalt nach Wiesbaden gekommen war, liebte es, von dort aus die Umgebung zu erkunden. Eines seiner Lieblingsziele neben dem Geisberg war der „Nürnberger Hof“ in Frauenstein, wo der Geheimrat gern mit seinen Freunden zechte. Beispielsweise am 6. Juli 1815. Goethe notierte: „Fahrt auf den Nürnberger Hof. Mittag auf dem Hofe. Im Freien schöne Aussicht. Quarzfelsen.“ 

Mehr noch als die Gesteinsformationen hatten es dem alternden Dichter aber die jungen Frauen angetan - so auch die gerade 18-jährige Philippine Lade, die an diesem Tag zu seiner Begleitung zählte. Sie nutzte den Ausflug zu einigen Landschaftszeichungen, die Goethe recht kritisch betrachtete. Wie man später erzählte, soll Philippine daraufhin verärgert ausgerufen haben: „Ach! Sie können alles besser als ich! Aber eines kann ich, was Sie nicht können!“ Daraufhin lief sie geschwind den Weinberg herauf. Der 65-jährige Dichter setzte ihr vom Ehrgeiz angestachelt nach, stolperte aber und stürzte zu Boden. Mit Hilfe seiner Freunde kam Goethe zum Glück schnell wieder auf die Beine, Philippine war untröstlich, aber Goethe konnte sie schließlich beruhigen. Tragikomisches Ende eines Sommerausflugs - aber die Goethe- Geschichtsschreibung war um eine schöne Anekdote reicher.

Der Aufenthalt vom 27. Mai bis zum 11. August 1815 war bereits der zweite Goethes in Wiesbaden. Schon 1814 hatte der Dichter eine inspirierende Bade-Kur hier verbracht. Er reiste in Begleitung seines Dieners mit der Kutsche an und stieg Ende Juli zunächst im Badehaus „Zum Adler“ ab, bis am 5. August seine Zimmer im „Bären“ frei wurden. Die Kurliste jener Woche notiert die Ankunft des „Hr. v. Göthe, mit Bed., Geheimerrath, von Weimar“ unter der Gästennummer 2926.

Goethe integrierte sich rasch ins Kurleben, nahm eifrig Bäder, besichtigte die Sehenswürdigkeiten, traf alte Bekannte und knüpfte neue Kontakte. In Wiesbaden feierte der Dichter auch seinen 65. Geburtstag, und man machte ihm die entsprechende Aufwartung: Ein „großes und überreichliches Frühstück“ im Kursaal, mittags dann ein Essen mit der herzoglichen Familie. Die Familie Brentano schickte zehn Flaschen Wein und eine Einladung nach Winkel in den Rheingau, die Goethe bereits vier Tage später annahm. Ein anderes, näher gelegenes Ziel war der Geisberg - damals ein beliebter Ausflugsort mit kleinem Lokal. Goethe schätzte diesen Ort mit der schönen Aussicht, ließ sich hier oben gern ein Glas vom berühmten „Eilfer“ (1811er) Wein kredenzen und notierte über einen solchen Ausflug auf den Geisberg: „Man bedarf in Wiesbaden nur einer Viertelstunde des Steigens, um in alle Herrlichkeit der Welt zu blicken.“

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Die Porträttafel am Goethestein. Fotos: Eva Wodarz-Eichner
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Ein zeitgenössisches Gemälde von Goethe. Fotos: Juulijs - stock.adobe

Zwar plante Goethe nach dem Tod seiner Frau Christiane einen weiteren Bade-Aufenthalt im Jahr 1816, doch schon in Erfurt dreht er um – ein Achsbruch der Kutsche erscheint ihm als böses Omen. Fortan kurte Goethe nur noch in Karlsbad und Marienbad.

Mehr als 100 Jahre nach dem denkwürdigen Fall Goethes in den Frauensteiner Weinbergen ließ der Wiesbadener Mäzen Wilhelm von Opel das Denkmal hoch über dem Ort errichten. Eine eingelassene Metallplakette erinnert bis heute an den Besuch des Dichters in Frauenstein. Die Wege rund um den Goethestein laden zu schönen Spaziergängen ein, die auch in der kalten Jahreszeit lohnen und eine schöne Aussicht bieten - damals wie heute. (eva)

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