Gräfin Sophie Hatzfeldt: Lebensgefährtin Lassalles und Wahl-Frauensteinerin

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Zuflucht der „Skandalgräfin”

Auch als „rote Gräfin” bekannt: Sophie Gräfin von Hatzfeldt. Foto: René Vigneron

In Wiesbaden war sie nach Hause gekommen. Hier war ein guter Ort, die letzten Jahre zu verbringen und die Augen für immer zu schließen. So geschah es: Gräfin Sophie von Hatzfeldt starb am 25. Januar 1881 in Wiesbaden, dort, wo sie nach jahrzehntelanger rastloser Suche endlich eine Heimat gefunden hatte. Sie hatte aufbegehrt gegen ihr Schicksal, und das hatte ihr die Gesellschaft nicht verziehen. Doch sie hatte nicht aufgegeben und nach langem Kampf endlich ihr Ziel erreicht: Die Scheidung von ihrem Ehemann. Das allein war zu ihrer Zeit schon ein Skandal, und dass der unermüdliche Kämpfer für ihr Recht ein zwanzig Jahre jüngerer Revolutionär war, erst recht. Doch an der Seite Ferdinand Lassalles fand sie Verständnis, Schutz und eine Art von Liebe, die ihr das Leben lebenswert machte. Gräfin Sophie von Hatzfeldt - eine Frau, die in keine Schablone passt: Damals nicht und heute auch nicht.

Sophie Josepha Ernestine wird am 10. August 1805 im schlesischen Trachenberg als dritte Tochter von Franz Ludwig Fürst von Hatzfeldt zu Trachenberg und seiner Gemahlin Friederike geboren. Am Vorabend ihres 17. Geburtstags wird sie mit ihren Vetter Edmund Graf von Hatzfeldt-Wildenburg verheiratet, der sie schon bald demütigt und misshandelt. Auch die Geburt von zwei Söhnen und einer Tochter mildert Edmunds Abneigung gegen Sophie nicht; er entzieht ihr die Kinder und versucht, jeden Kontakt mit ihnen zu unterbinden.

Sophie braucht 24 Jahre, bis sie, verzweifelt und zutiefst verletzt, die Kraft findet, einen Schlussstrich unter ihr Martyrium zu ziehen. Sie sagt sich von ihrer Familie los, die sie im Stich gelassen hat, und bittet den Bankierssohn Felix Alexander Oppenheim um Rechtsbeistand. Oppenheim ist einer der Anhänger Ferdinand Lassalles, dem er Einsicht in die Papiere der Gräfin gewährt. Zu Beginn des Jahres 1846 lernen sich die Gräfin und der 21-jährige Student kennen. Lassalle ist zutiefst berührt von Sophies Schicksal, bietet ihr seine Hilfe an und wird Sophies Vertrauter: Vor ihm muss sie ihr Elend nicht vertuschen, und er, zwei Tage jünger als ihr ältester Sohn, wird zu dem Beschützer, nach dem sie jahrelang verzweifelt gesucht hat. Lassalle unterbricht sein Studium, um mit ihr den spektakulärsten Scheidungsprozess des 19. Jahrhunderts durchzufechten. Vor nicht weniger als 38 Gerichten ist er in erbitterten Prozessen der Rechtsvertreter Sophies. Fast ein Jahrzehnt dauert es, bis sie endlich als Sieger hervorgehen, und in dieser Zeit werden beide füreinander zum nicht zu ersetzenden Gegenüber, zum gegenseitigen Lebenselixier.

Das Schloss Sommerberg bei Frauenstein steht heute unter Denkmalschutz. Es ist bis heute im Besitz der Familie Hatzfeldt-Wildenburg. Foto: Rene Vigneron
Das Schloss Sommerberg bei Frauenstein steht heute unter Denkmalschutz. Es ist bis heute im Besitz der Familie Hatzfeldt-Wildenburg. Foto: Rene Vigneron

Über die Art des Verhältnisses zwischen dem jungen Revolutionär und der reiferen Gräfin ist viel spekuliert worden. Beide betonen immer wieder die tiefe Freundschaft; beide entdecken eine Art Seelenverwandtschaft. Lassalle nimmt Verhaftungen, Verleumdungen und die Minderung seines politischen Ansehens in Kauf, um der Gräfin beizustehen. Sie selbst ist vor Rufmord ebenso nicht sicher, hatte sie doch zu offensichtlich mit ihren gesellschaftlichen Kreisen gebrochen. Als Lassalle zu ihr in ihr Düsseldorfer Haus zieht, um sie vor ihren Gläubigern zu schützen, ist der Skandal perfekt.

Die zahlreichen Prozesse, die die beiden gegen Sophies Ehemann führen, sind zum Teil von den politischen Strömungen und dem Hintergrund der 1848er Revolution begünstigt, dann aber auch wieder benachteiligt - Sophie identifiziert sich mittlerweile mit Lassalles politischen Anliegen, öffnet ihr Düsseldorfer Haus seinen Gesinnungsgenossen, und ist selbst Teil der demokratisch-revolutionären Bewegung der Jahre 1848/49.

Am 11. August 1854 wird endlich die letzte Prozessakte geschlossen: Zwischen Edmund und Sophie von Hatzfeldt kommt ein Trennungsabkommen zustande, das die Gräfin finanziell unabhängig macht: Endlich ist sie frei!

Fast zehn Jahre hatten die Gräfin und Lassalle unter einem Dach gelebt; hatten den Alltag geteilt, doch die immerwährenden Kämpfe des vergangenen Jahrzehnts zerren an den Nerven von beiden, und Spannungen bleiben nicht aus. Lassalle will die Krise durch eine vorübergehende Trennung beilegen und begibt sich auf eine dreimonatige Orientreise. Danach will Lassalle nach Berlin, wo das politische und wissenschaftliche Leben pulsiert, und auch Sophie zieht in die Hauptstadt.

Auf einer gemeinsamen Reise  nach Italien im Sommer 1861 lernen Sophie und Lassalle den ehemaligen preußischen Artillerieoffizier Wilhelm Rüstow kennen, der sich sofort in die Gräfin verliebt und sie heiraten will. Lassalle, der sich seinerseits auf mehrere Abenteuer eingelassen hat, reagiert zutiefst verletzt und reist ab.

1863 gründet Lassalle den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein; Sophie nimmt großen Anteil daran. In der Schweiz stürzt sich Lassalle in eine leidenschaftliche Affäre mit der jungen bayerischen Diplomatentochter Helene von Dönniges. Er will sie heiraten, wird aber abgewiesen. Daraufhin provoziert er ein Duell mit Helenes Verlobtem und wird dabei am 28. August 1864 schwer verletzt. Die Gräfin eilt an sein Totenbett, und sie ist es, die dem Freund am 31. August die Augen schließt.

Sophies Lebensinhalt wird es jetzt, Lassalles Andenken zu bewahren und sein Werk fortzusetzen. Sie versucht, im Arbeiterverein Einfluss zu nehmen - aber innerlich verbindet die Gräfin mit seinen Mitgliedern nichts als die Liebe zu seinem Gründer. Sophies Lebensfreude ist mit Lassalles Tod erloschen. Sie siedelt zu ihrem Sohn Paul nach Frauenstein um, der mit seiner Familie das Schloss Sommerberg bewohnt. Sie stirbt am 25. Januar 1881 und findet dort ihre letzte Ruhestätte. (eva) 


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