Geisenheim beherbergt aktuell rund 235 Geflüchtete aus der Ukraine

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Aus dem Zufluchtsort ein Zuhause machen

Bürgermeister Christian Aßmann, Andrea Walderbach und Christina Roleder vom Amt für Soziales setzen sich dafür ein, dass Geflüchtete in Geisenheim integriert werden. Foto: Flüchtlingshilfe Geisenheim

Neben Beratung und Dolmetschen spielt auch das Eingliedern in die Gesellschaft eine große Rolle, für die sich die Flüchtlingshilfe Geisenheim akiv einsetzt. Februar 2022: Kriegsbeginn in der Ukraine. Kurz darauf flüchten Hunderttausende aus ihrer Heimat nach Deutschland. Auch in Geisenheim kommen die ersten Geflüchteten an. In der Turnhalle der Rheingauschule wird eine Unterkunft eingerichtet. Der Bedarf ist groß. „Wir wurden direkt ins kalte Wasser geworfen“, erinnert sich Andrea Walderbach einige Monate später zurück. Erst Ende des vergangenen Jahres wurde die Flüchtlingshilfe Geisenheim dem Sozialamt übergeben und fiel damit in den Zuständigkeitsbereich von Andrea Walderbach und ihrer Kollegin Christina Roleder. Seitdem sind die Beiden quasi im Dauereinsatz. Sachspenden sammeln, Wohnraum suchen, Hilfsangebote koordinieren und Ansprechpartner sein. „Es wurde einiges ins Rollen gebracht, doch die Herausforderungen sind enorm groß“, erklärt Roleder.       

Aktuell sind rund 135 Menschen in der Turnhalle untergebracht, 100 weitere leben über die Ortsteile verteilt und wurden größtenteils von Privatpersonen aufgenommen. „Das Engagement unter den Geisenheimern war von Anfang an sehr groß“, sagt Walderbach und auch unter den Vereinen und Institutionen vor Ort sei sich zusammengeschlossen und gemeinsam geholfen worden. Die evangelische Kirchengemeinde bietet beispielsweise Deutschkurse an, Studierende der Hochschule helfen beim Dolmetschen, in einem Raum der Geisenheimer Feuerwehr wurde eine Kleiderkammer eingerichtet, in der die Mitarbeiterinnen der Flüchtlingshilfe alle zwei Wochen gespendete Kleidung ausgeben.

Doch man wolle nicht nur in materieller Hinsicht helfen. In der Bethanien Kindertagesstätte wurden zum Beispiel schon Kinderbasteln und Yogakurse angeboten, beim Geisenheimer Lindenfest erhielten die geflüchteten Menschen Gutscheine als Einladung. „Wir wussten, wir können nicht hier feiern, während 100 Meter weiter die Menschen nach ihrer Flucht in der Turnhalle leben“, erklärt Bürgermeister Christian Aßmann. Deshalb habe man die Ukrainerinnen und Ukrainer ganz konkret eingeladen „Wir wollten ein Zeichen setzen, dass sie genauso zu Geisenheim gehören wie wir alle, und haben uns gefreut, wie viele Familien gekommen sind.“ In Zukunft plane man deshalb zum Beispiel auch, regelmäßig im Geisenheimer Kino Filme auf ukrainisch zu zeigen.

Abgesehen davon besteht ein Großteil der Arbeit der Flüchtlingshilfe in der Beratung: „Teilweise kommen die Menschen mehrfach am Tag zu uns“, erklärt Roleder. Sei es die Anmeldung bei Kindergarten und Grundschule, die Wohnraumsuche oder auch das Ausfüllen von Dokumenten, die Tür der beiden steht seit Monaten stets offen für alle möglichen Anfragen. „Würde meine Kollegin kein russisch sprechen, wäre das in dem Maße gar nicht möglich“, erklärt Walderbach und auch Bürgermeister Christian Aßmann hebt das Engagement der beiden hervor. „Die beiden halten hier alles am Laufen, bauen durch ihre offene Art Barrieren ab und sind mit Herzblut dabei – und das weit über den normalen Arbeitsumfang hinaus.“

Verbunden ist das auch mit einer großen emotionalen Beteiligung. „Es gibt schon viele Schicksale, die einem sehr nahe gehen“, sagt Walderbach und Roleder ergänzt: „Letztens kam zum Beispiel ein Vater mit seinem Sohn hier her, die Mutter war noch in der Ukraine.“ Um den beiden bei der Suche nach einem Kitaplatz zu helfen, sei sie selbst mit zu den Kindergärten gegangen, habe vermittelt und organisiert. „Natürlich ist das mehr, als wir theoretisch machen müssten, aber die Menschen berühren einen eben auch.“ Zu sehen, wie wohl sich viele, die eigentlich nur eine Zuflucht vor dem Krieg gesucht hätten, dann nach einigen Wochen in Geisenheim fühlten, sei deshalb umso schöner. „Eine Familie am Bahnhof zu treffen, die einem seine Dankbarkeit ausspricht oder ein Kind zu sehen, das mit dem Fahrrad durch Geisenheim fährt, sind dann die schönen Momente, mit denen man belohnt wird.“ (mh) 
       

INFO

Auf der Homepage der Stadt Geisenheim unter www.geisenheim.de/leben-bildung/soziales/fluechtlingshilfe gibt es weitere Infos und Links zur Flüchtlingshilfe in Geisenheim: Angebote wie Yoga, Deutschunterricht, Beratungen, Unterkunftsuche, Infos zu Sammelaktionen von Hilfsgütern und mehr.

„EINE GRÜNE OASE DER RUHE“

Lieblingsplatz in Geisenheim

Aus dem Zufluchtsort ein Zuhause machen-2
Foto: Leonie Hamm

„Mein Lieblingsplatz in Geisenheim ist das Kloster Marienthal. Idyllisch mitten im Wald gelegen ist es eine Oase an Ruhe. Im Pandemiejahr 2020 legten mein Freund und ich den Klostersteig mit 35 Kilometern vom Kloster Eberbach bis Assmannshausen zurück. Das Kloster Marienthal war Nummer drei der sechs Klöster, die auf dem Steig zu sehen sind, und ist mir bei diesem Marsch mit vielen Eindrücken am meisten im Gedächtnis geblieben. Neben der Kappelle der Klosteranlage Marienthal gibt es einen Freilichtbereich für Gottesdienste und ich hatte meine erste Begegnung mit einem Mönch, mit dem wir uns über einiges austauschen konnten - eine tolle Erfahrung mitten in Geisenheim, an die ich mich gerne zurückerinnere!“

Leonie Hamm, Grafikerin der VRM

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