Als männlicher Azubi in die „Frauendomäne“ einsteigen?

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Berufswahl ohne Klischees

Interessieren sich junge Männer für den Erzieherberuf, sollte das von anderen nicht als vermeintlich geschlechtsuntypisch herausgestellt werden. Foto: Mareen Fischinger/Westend61/mag

Männliche Erzieher, Sozialassistenten oder Hauswirtschafter trifft man nach wie vor eher selten an. All diese Berufe werden typischerweise mit Frauen assoziiert. Dabei sollte es bei der Berufswahl ja eigentlich nicht darum gehen, einer Geschlechterrolle zu entsprechen. Sondern einen Job zu finden, der den eigenen Interessen entspricht und Freude bereitet. Was wichtig ist, wenn Jugendliche ohne Rollenklischees im Kopf ihren Karriereweg wählen sollen.Beeinflussung durch StereotypenGeht man rein nach Schulnoten und Bildungsabschlüssen, würde man es nicht unbedingt vermuten, doch manche Klischees stimmen wohl: „Unsere Auswertung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zeigt, dass Frauen bei weitem häufiger in den Bereichen Gesundheits- und Sozialwesen, Erziehung, Büro- und Verwaltungsberufe oder auch Verkaufsberufe tätig sind“, sagt Christian Ludwig, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit. Männer dagegen seien eher in der Produktion, in Verkehrs- und Logistikberufen sowie im Hoch- und Tiefbau tätig. An der Berufswahl lassen sich also noch immer deutliche Präferenzen ablesen.

„Unsere Geschlechterklischees sind immer noch in der Zweigeschlechtlichkeit organisiert. Dabei wird Weiblichkeit mit Gefühlen, Empathie und sozialer Kompetenz verbunden, Männlichkeit hingegen mit Stärke, Rationalität und technischer Kompetenz“, sagt Juliana Groß. Sie ist Fachreferentin der Initiative Klischeefrei am Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit.

Viele Jugendliche können laut Groß zwar persönlich nichts mehr mit diesen starren Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit anfangen, trotzdem wirken diese im Hintergrund als gesellschaftliches Wissen nach und beeinflussen sie. „Menschen die sich nicht den Geschlechternormen entsprechend verhalten, werden oft kritisch beäugt“, so Groß. Es gelte ins Bewusstsein zu rücken, dass Fürsorge und Empathie keine rein weiblichen Eigenschaften sind. „Es sind menschliche Eigenschaften.“ Weitere Faktoren, die junge Männer von einer Ausbildung in sogenannten SAGE-Berufen (kurz für: Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege, Erziehung und Bildung) abhalten: Viele dieser Berufe sind gesellschaftlich weniger anerkannt und werden schlechter bezahlt. Laut Groß kommen junge Männer eher in die Situation, sich deswegen zusätzlich rechtfertigen zu müssen, da die Vorstellung des Mannes als Haupternährer der Familie noch immer weit verbreitet ist. „Interessiert sich ein Junge oder junger Mann für eine SAGE-Ausbildung ist es wichtig, dies nicht zu verbesondern oder als vermeintlich geschlechtsuntypisch herauszustellen“, rät Juliana Groß. Die Berufswahl sei etwas Persönliches. „Es sollte normal sein, dass ein Mann auch als Erzieher oder Pfleger arbeitet.“

Eine wichtige Rolle spielen auch Angebote wie der Boys‘ Day, der Jungs einen Einblick in Frauen-dominierte Berufe geben soll. Damit soll über Geschlechterklischees hinweg das Berufswahlspektrum erweitert werden. Oft sei den Jugendlichen und ihren Eltern gar nicht bewusst, was es alles für Möglichkeiten gibt, so Christian Ludwig. Allerdings gilt: „Diese Aktionstage bringen besonders dann etwas, wenn sie auch in der Schule vor- und nachbereitet werden.“

Umsetzung in der Berufspraxis

„Männer sind in Frauenberufen meistens herzlich willkommen“, sagt Juliana Groß, „nicht zuletzt auch wegen des akuten Fachkräftemangels in vielen einseitig von Männern oder Frauen besetzten Berufen.“ Tatsächlich würden im Laufe der Karriere die Geschlechterklischees auch zum Vorteil der Männer arbeiten: „Männer gelangen auch in den typischen Frauenberufen vergleichsweise schnell in Führungspositionen, weil Führungsstärke besonders mit Männern assoziiert wird“, sagt Groß. In männlichen Erwerbsbiografien kommen immer noch kaum Teilzeitarbeit oder Auszeiten für die Betreuung von Kindern, Alten und Kranken vor, bei Frauen dagegen umso mehr. mag
 

Gute Azubis

Um Stipendium bemühen

Wer eine Berufsausbildung besonders gut abschließt, hat Chancen auf eines der Bundesstipendien für berufliche Talente, so die Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung (SBB). Zu den Stipendien vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zählen das Weiterbildungs- und das Aufstiegsstipendium.

Das Programm des Weiterbildungsstipendiums richtet sich an junge Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung. Sie können sich damit Weiterbildungskurse finanzieren. Die Förderung beläuft sich auf bis zu 8100 Euro. Stipendiaten können die Summe innerhalb von drei Jahren für selbst gewählte Bildungsmaßnahmen abrufen. „Gefördert werden fachliche Weiterbildungen, wie die Vorbereitungskurse für die Meister- und Techniker- oder Fachwirtsqualifikationen“, sagt SBBSprecher Andreas van Nahl. Das Stipendium könne auch für fachübergreifende Lehrgänge genutzt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen sei auch die Förderung eines berufsbegleitenden Studiums möglich. Bewerben kann sich, wer in Berufsausbildung und -praxis hervorragende Leistungen gezeigt hat und nicht älter als 24 Jahre alt ist. Auf der Webseite der SBB können sich Interessierte informieren.

Wer dagegen nach der Ausbildung zwei Jahre in der Praxis gearbeitet hat, kann sich um ein Aufstiegsstipendium bewerben. Dabei handelt es sich um die „Studienförderung für Berufserfahrene“. Bei der Bewerbung für ein Aufstiegsstipendium zählen Berufserfahrung und besondere beruflichen Leistungen. Eine Altersgrenze gibt es nicht. „Gefördert wird ein Hochschulstudium bis zum ersten akademischen Abschluss“, sagt van Nahl. Stipendiaten, die in Vollzeit studieren, erhalten monatlich insgesamt 941 Euro. Für ein berufsbegleitendes Studium gibt es 2700 Euro im Jahr. Die Bewerbung ist vor Beginn des Studiums, spätestens aber bis zum Ende des zweiten Studiensemesters möglich. Das Auswahlverfahren erfolgt in drei Stufen. mag

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