Wie sich Ausbildungsabbrüche verhindern lassen

ANZEIGE

Der letzte Ausweg

Nicht alle Azubis werden mit ihrer ersten Ausbildungswahl glücklich. Ein Wechsel muss dann nicht immer schlecht sein. Foto: Lyzs/ Westend61/dpa

Raus aus der Schule, rein ins Arbeitsleben. Mit einer klassischen dualen Berufsausbildung starten Jugendliche oft schon früh in die Erwerbstätigkeit. Doch nicht immer läuft alles rund. Das kann sogar dazu führen, dass Azubis vorzeitig ihre Lehre beenden. Einzelfälle sind das nicht. Dem Berufsbildungsbericht 2019 zufolge, der auf Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) basiert, wird mehr als jeder vierte Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst. „Manche steigen noch in der Probezeit wieder aus, andere sind schon in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer Ausbildung“, sagt BIBB-Mitarbeiter Michael Schulte. Die Ursachen, warum junge Leute vorzeitig eine Ausbildung beenden, sind vielfältig. „Es können private Gründe sein, etwa eine Krankheit, psychische Probleme, eine Schwangerschaft oder familiäre Schwierigkeiten“, so Schulte. 

Andere haben sich völlig falsche Vorstellungen gemacht und sich im Vorfeld unzureichend informiert. „Die konkreten Arbeitsbedingungen im Betrieb überraschen schon einige Jugendliche, besonders, wenn es nicht der Wunschausbildungsplatz ist“, sagt Per Kropp vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Dann gibt es Fälle, in denen Konflikte mit Vorgesetzten oder Kollegen zum vorzeitigen Abbruch der Lehre führen. Zum Teil liegt es auch an der niedrigen Vergütung oder an den schlechten Ausbildungsbedingungen.

In großen Betrieben oft bessere Betreuung

„Je größer ein Unternehmen ist, desto geringer ist die Abbruchquote bei Auszubildenden“, so Kropp. Das liegt aus seiner Sicht nicht zuletzt daran, dass es in größeren Firmen eher personelle Kapazitäten gibt, sich um den Azubi zu kümmern, als in kleineren Betrieben. „Allerdings können auch kleinere Familienbetriebe mit ihrer besonderen Unternehmenskultur punkten.“

Für den Lebenslauf von Auszubildenden ist ein Abbruch nicht unbedingt negativ. „Hauptsache, sie haben einen Plan B“, betont Schulte. Was bedeutet: Möglichst nahtlos die Firma oder den Ausbildungsberuf wechseln.

Hilfe für unglückliche Azubis

Ein Ausbildungsabbruch ist also kein Beinbruch. Wer sich nicht wohlfühlt, muss aber nicht sofort alles hinschmeißen. „Es existieren viele Hilfsangebote“, sagt Schulte. Azubis können sich etwa an die Arbeitsagentur vor Ort oder die jeweilige Berufskammer wenden. Eine weitere Möglichkeit: Die bundesweite Initiative VerA (Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen). Fachleute im Ruhestand mit großer Berufs- und Lebenserfahrung stehen Azubis quasi als ehrenamtliche Mentoren zur Seite.

VerA unterstützt Azubis unabhängig von ihrer beruflichen Richtung. Azubis können eine Begleitung über die Webseite, per Mail oder via Telefon anfordern. Die Ruheständler helfen bei sprachlichen wie fachlichen Defiziten, üben mit Azubis etwa die mündliche Prüfung oder bringen ihnen bei, eine Präsentation zu halten.

„Wenn der Azubi es wünscht, nimmt sein VerA-Begleiter auch Kontakt mit dem Ausbilder auf“, erzählt Schropp. Die Begleitung ist kostenlos – für den Azubi genauso wie für den Betrieb oder die Berufsschule.

Natürlich ist nicht nur der Azubi selbst in der Verantwortung. Ausbilder können ebenfalls einen Beitrag leisten. „Ausbilder sollten sich so früh wie möglich klarmachen, wo ein Azubi Probleme hat und Lösungsvorschläge unterbreiten“, so Schropp. mag
 

Muss ich in der Ausbildung Überstunden machen?

Viel Eigenverantwortung tragen und ein geschätztes Mitglied im Team sein: Azubis freuen sich, wenn sie ernst genommen werden. Aber heißt das, dass auch sie länger bleiben müssen, wenn ein Projekt fertig werden muss , der Kunde wartet und Überstunden anfallen?

In der Regel sind Überstunden nicht erlaubt. Im Ausbildungsvertrag sind Ausbildungsdauer sowie die tägliche und wöchentliche Ausbildungszeit vereinbart – und die sind so angelegt, dass sie zur Vermittlung der Lerninhalte ausreichen. „Dann gehen Überstunden eigentlich gar nicht“, sagt Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg. Der springende Punkt: Ein Ausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis. „Die Ausbildung muss im Vordergrund stehen“, so Markowski. Auszubildende sind folglich grundsätzlich nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten. Es kann aber Ausnahmen geben. Zum Beispiel, wenn Regelungen in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag auch mal Überstunden zulassen. „Dann können auch im Ausbildungsverhältnis Arbeitsstunden vorkommen, die über die reguläre Arbeitszeit hinausgehen.“ Entscheidend ist Fachanwalt Markowski zufolge aber, dass diese Stunden dem Ausbildungszweck dienen. „Und deswegen muss gleichzeitig jemand da sein, der die Ausbildung verantwortet.“ Heißt: Der Ausbilder oder die Ausbilderin muss die längere Ausbildungszeit begleiten und überwachen. Auszubildende mit an einer Maschine einzusetzen und Überstunden machen zu lassen, damit ein Auftrag fertig wird, geht also nicht. Verlangt der Betrieb das dennoch ohne Grundlage in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag, können Auszubildende ablehnen. Rein rechtlich darf dann keine Abmahnung oder Kündigung drohen. „Aber natürlich ist es an der Stelle immer ein bisschen schwierig für die jungen Menschen, dem Chef zu sagen: ‚Ich mach das nicht‘ “, schränkt Markowski ein. Hier sei es wichtig, dass die Regularien eingehalten werden. dpa

Lesen Sie jetzt
So klappt der Ausbildungsstart in das erste Lehrjahr nahezu sorgenfrei
Es geht endlich los – ab in die Berufswelt!
Diese Argumente kommen bei Auszubildenden im Handwerk besonders gut an
Nachwuchs gesucht
Interdisziplinäre Studiengänge bereiten auf die moderne Berufswelt vor
Schon im Studium weitergedacht